Frauen

Da steht sie am Rande des Geschehens. Wie so oft beobachtet sie das Treiben der anderen und sieht ihnen beim Leben zu. Heute ist es anders. Sie hat was zu sagen. Eigentlich. Doch wie so oft drängen sich die männlichen Artgenossen in den Vordergrund. Grölendes Lachen, sonore Stimmen und männliches Gehabe dominieren den Raum. „Gewohnt“, denkt sie. „Wie immer“ denkt sie. Und rafft ihre Röcke, setzt die Krone auf und schreitet zum Podest. Stolz mit hoch erhobenem Haupt erklimmt sie die viel zu hohen Stufen für eine Dame. „Männerstufen“, denkt sie. Auf dem Weg dorthin krachen ihre Absätze in die Zwischenräume des Bodenbelags. „Männerbodenbelag“, denkt sie. Oben am Gipfel ihrer Sehnsucht angekommen, steht sie nun am Pult. Soll ihre Rede halten. Ihre Entdeckung preisgeben. Doch das Pult ist viel zu hoch. Zu hoch, um zu stehen und gleichzeitig konzentriert lesen zu können. „Männerpult“ denkt sie. Auch denkt sie an ihre schönen mit Seide überzogenen Absätze ihrer neuen Schuhe. Wie dem auch sei. Hätte sie nur die absatzlosen angezogen, wie Marianne ihr geraten hatte. Doch zu diesem Kleid?

Vor einiger Zeit machte sie eine Entdeckung. Ja, sie! Eine sensationelle Entdeckung wie Frauen sich chic und als begehrenswerte Frau fühlen können. Sie fragte alle Frauen in Ihrem Umfeld, was sie sich wünschen, in was sie sich wohl fühlen und was sie brauchen, um attraktiv zu sein. Sie entwickelte einen Schnittmusterbogen und gründete später ein Modelabel. Dafür bekam sie den Gründerpreis. Und heute soll sie über ihr Start-up Unternehmen reden. Über das reden, was sie in all den Jahren ihres Frauendaseins beobachtet hatte. Sie fragt sich: „Wieso habe gerade ich den Gründerpreis erhalten? So viel Spezies der männlichen Gattung sind angetreten. Viel männlicher und kompetenter als ich. Waren wohl einige Frauen in der Jury? Das wäre mir aufgefallen, denkt sie. „Was ist passiert? Fällt heute der Ostersonntag auf Weihnachten? Hier stehe ich nun, ich…“.

Beherzt greift sie um Mikrofon und nimmt ihr Gesprächskonzept in die Hand. Geht stolz die Stufen vom Podium nach unten und badet in der wartenden Menge. 100 000 Augenpaare sind auf sie gerichtet. Sie freuen sich sichtlich, den Vortrag über ihre Erfindung des Schnittmusterbogens zu hören. „Seltsam“, denkt sie und ergreift das Wort. Anfangs ist es ungewohnt, doch mit der Zeit und als sie eintauchen kann in ihr Thema, nimmt ihr Vortrag Fahrt auf. Und so begann alles.

Heute würde sich die Geschichte möglicherweise so abspielen.

Wir alle kennen diese beherzte Frau: Aenne Burda. Die unter widrigen Umständen Großartiges geleistet hat.
Die, die nie,nie aufgegeben hat.
Und immer an sich und Ihre Idee geglaubt hat. Ihr Start-up.
Die Schwierigkeiten an den Hörnern packte mit einer Raffinesse, Intelligenz und stets das Ziel im Auge behielt.
Die, die ihre Lebensfreude aus dem verfolgen Ihres Ziels zog. Auch wenn sich einmal die Angst breit machte.