Wer sagt was?
Da schaut mich in Xing ein Gesicht an, das nicht mehr als 26 Jahre auf dem Buckel haben wird. Jung, dynamisch und so was von selbstbewusst, dass es mir ganz schlecht wird.
Er behauptet von sich CEO eines soeben gegründeten Unternehmens-neudeutsch-Start-up zu sein. Er der Checker vom Neckar. Er, der einen universitären Abschluss Economics Master hat. Zu Recht ist er stolz darauf. Das muss man erst einmal schaffen.
Und nun die nächste Hürde im Leben erklimmen. Das hat er sich vorgenommen. Er der Checker vom Neckar. Chic ist es heute sich in der jungen dynamischen Start-Up Unternehmer Szene zu tummeln. Große Reden zu schwingen von den bereits erzielten Erfolgen, lautstark sich zu brüsten mit …. Bla, bla, bla. Alles muß ja skalierbar sein. So sind die Regeln. Und innovative Elemente müssen auch vertreten sein. Das ist auch eine Regel. Die Ausarbeitung eines Businessplans ist Ehrensache. Da kennt er sich richtig gut aus mit seinem Economics Master.
Er hat sich schon während des Studiums mit dem Thema Pflege beschäftigt. Er wandte die Grundschulmathematik an und entdeckte, dass bald, ja sehr bald eine Schwemme an pflegebedürftigen Menschen da ist. Doch wo sind die Pflegekräfte? Oh weh, das wurde in der Regierungsplanung völlig vergessen. Kennen die denn die Grundschulmathematik denn nicht, denkt er.
Also in ihm reift ein Gedanke heran. Sein Start-Up Unternehmen und das hat er wirklich ernsthaft vor, soll sich im weitesten Sinn mit Pflege und verwandten Themen beschäftigen. Von der BWL Seite her kein Problem. So jetzt muß er sich nur noch ins Thema Pflege einarbeiten. Auch kein Problem. Seine Oma ist ja auch nicht mehr die Frischeste. Die besucht er 1x im Monat. Und so hat er wesentliche Erfahrung gesammelt. Er kennt sich auch da aus.
Lange Rede kurzer Sinn
Das Start-Up Unternehmen: Pflege von Angehörigen leicht gemacht geht an den Start. Zunächst finanziell gestützt von Hinz und Kunz, Hund und Katze und Eltern und den Ahnen auch. Alle Geldschatullen werden geplündert, um dem Sprössling seinen Traum zu finanzieren. Klasse. So funktioniert Familie.
Zunächst einmal wird aus der Garage und dem Gartenhaus von Tante Gerda gearbeitet. Die ersten Pflegekräfte aus Timbuktu sind angereist. Die ersten Kunden an Bord. Und los geht es. Diese Phase geht eine Weile ganz gut und ernährt den Checker vom Neckar fast schon ohne Finanzspritze von Papa. Mit stolz geschwellter Brust verkündet es der Jungunternehmer.
So jetzt kommt doch tatsächlich Herr Dr. Maier zum Checker vom Neckar. Ein Vorstandvorsitzender eines ernstzunehmenden Unternehmens. Herr Dr. Maier hat beim monatlichen Entspannen im Tennisclub von diesem Start-Up gehört und will sich persönlich ein Bild machen. Denn immerhin geht es um seine Mutter. Herr Dr. Maier schaut nun in das Gesicht eines jungen sich selbst vollkommen überschätzenden Checker vom Neckar. Der Milchschaum ist noch feucht vom Kaba trinken heute Morgen. Wenn junge Menschen in die Hände klatschen und sich auf den Weg der Selbstständigkeit machen, das findet er prinzipiell mutig und notwendig für die Gesellschaft. Doch es gibt keinerlei spezielle Kompetenz in diesem Start-Up, das mit den psychologischen und pflegerischen Anforderungen von Alt und Jung vertraut ist.
Herr Dr. Maier fragt sich, wieso holt sich der Checker vom Neckar keine Person an die Front, deren Alter und Ausbildung eine kompetenten Durchführung des Auftrags garantieren.
Mit gemischten Gefühlen verläßt Herr Dr. Maier das Gartenhaus von Tante Gerda und wendet seine Schritte eilig zum nächsten langjährigen Pflegedienst am Ort.
Es tut ihm irgendwie Leid, dem Checker vom Neckar einen Korb geben zu müssen, jedoch hier sind seine Gründe:
Der Checker vom Neckar hat keine fachspezifische Ausbildung in Sachen Pflege.
Nach welchen Kriterien wählt er denn dann das passende Pflegepersonal aus? Etwa unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten? Herr Dr. Maier bekommt bei diesem Gedanken Herzrasen.
Hält das Start-Up seine Versprechen, die so blumig auf der Homepage und der Broschüre beschrieben sind?
Hält das Start-Up überhaupt durch? Denn einen Wechsel kann er seiner über 90 jährigen Mutter nicht zumuten?
Wie ist das Risiko versicherungstechnisch abgesichert?
Nun zückt er den Stift und unterschreibt wie so viele vor ihm, beim ortsansässigen Unternehmen, das schon 30 Jahre Erfahrung in der Pflege hat. Übrigens, der Geschäftsführer ist auch 1x im Monat im Tennisclub. Herr Dr. Maier hat zu ihm Vertrauen. So ist das eben.